Foto: Martina Gasser; paintings; Malerei

Das politische Haar
Installationund Ausstellung im Schaufenster Denis (15.12.23-13.03.24): Hanffasern, Karton, Stacheldraht, Bänder, Stoff
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9 Zöpfe aus Hanffasern mit Bändern

Foto: Martina Gasser; Das politische Haar; Schaufenster Denis; Iran; Proteste

Ausstellungsansicht im Schaufenster Denis Dezember 2024

Foto: Martina Gasser; Das politische Haar; Schaufenster Denis; Iran; Proteste

Seien wir ALLE Feministinnen und Feministen und setzen wir uns für eine (weltweit) bessere und gerechtere Gesellschaft für alle ein!

Menschenrechte sind Freiheitsrechte! Wenn Frauenfreiheitsrechte nicht geachtet werden, ist die gesamte Gesellschaft unfrei und es leiden – neben den Frauen – Minderheiten und Kinder, aber auch die Männer.

In Europa trägt die brave, reine und sittsame Frau langes Haar, oft gebändigt in Zöpfen oder versteckt unter Tüchern (radikale Gläubige aller Art). Auch die rassistisch-nationalistische Frau trägt ungeschminkt Zopf und gebärt Kinder für das Volk.
Kurzes Haar bei Frauen gilt historisch als unanständig und unweiblich (z.B. Bubikopf der 20er Jahre1), wird als Angriff auf patriarchale Domänen verstanden (Framing als „Mannfrau“) und wird von Frauen immer wieder als Akt des Widerstands gegen patriarchale oder gesellschaftlich untragbare Zustände eingesetzt.
Zugleich wurde das Tragen langer Haare durch Männer ebenso lange Zeit angefeindet (Hippies) und auch verfolgt (Schlurfs der 30er/40er Jahre2). Auch dies ist als widerständiger Akt gegen die Mehrheitsgesellschaft, und die durch sie vertretenen Werte, zu sehen.
In Österreich werden wieder vermehrt Frauenrechte durch rechtsextreme und konservative Kräfte angegriffen. Abtreibungsrechte stehen plötzlich wieder zur Diskussion und wir hören von „Herdprämien“3 für Frauen, die bei Ihren Kindern zu Hause bleiben sollen. Zudem wird der Feminismus immer häufiger diskreditiert und lächerlich gemacht.

Trotz aller Kämpfe um diese Rechte, finden wir uns heute in einer Welt wieder, in der in den wenigsten Ländern Frauenrechte konsequent durchgesetzt und gelebt werden. In vielen Ländern werden Frauen und Minderheiten brutal unterdrückt, völlig entrechtet und sind im privaten wie im öffentlichen Leben ungeschützt jeglicher Brutalität gegen Psyche und Körper ausgeliefert. Anhand der Verletzung von Frauen- und Minderheitenrechten kann sich der Grad des jeweiligen Unrechtstaates messen lassen.

Im Zuge der iranischen Proteste gegen das Regime seit dem Jahr 2022, ausgelöst durch den gewaltsamen Tod der jungen Jina Mahsa Amini nach ihrer Verhaftung durch die „Sittenpolizei“4, da sie ihr Kopftuch nicht „vorschriftsmäßig“ getragen haben soll, begannen Frauen im Iran ihre Kopftücher abzulegen und damit martialische Strafen und Totschlag in Kauf zu nehmen. Manche Frauen stellten Videos ins Netz, auf denen sie ihre Haare aus Protest gegen diese Unterdrückung abschnitten. Das Haar steht für die Weiblichkeit schlechthin, aber auch für die „gefährliche verführerische Wirkung“ auf Männer, weshalb es aus Sicht der „Sittenpolizei“ unbedingt bedeckt werden muss, um Männer davor „zu schützen“.
Das Abschneiden der Haare wird zu einem Akt der politischen Selbstermächtigung der Frauen, mit der sie zeigen, dass sie selbst über Ihre Körper verfügen. Zugleich entledigen sie sich ihrer stigmatisierenden Weiblichkeit. Das Abschneiden der Haare ist eine alte Geste der Trauer, wenn der Mann einer Frau stirbt. Diese Geste wird neu kontextualisiert und drückt die Trauer über die ermordeten Frauen und Mädchen aus.
Es ist ein mächtiges Zeichen gegenüber einem brutal patriarchal unterdrückenden Regime, das von einigen extremistischen Männern beherrscht wird, die offenbar große Angst vor (dem Intellekt der) Frauen haben.

Martina Gasser thematisiert mit ihrer Installation – ausgehend von der iranischen Protestbewegung und der Geste des Haar-Abschneidens – das Politische des (weiblichen) Haars. Das Blond der Zöpfe in der Installation ist dem Material (Hanffasern) geschuldet. Es sind alle Haarfarben aller Frauen dieser Welt gemeint!

1 Begriff „Bubikopf“: Der Bubikopf ist eine Kurzhaarfrisur für Frauen und Mädchen. Die Frisur ist eine Variante des Bobs. Der Schnitt wurde im Europa der 1920er Jahre sehr beliebt. Er war beeinflusst vom „Knabentyp“, dem Frauenbild der Zeit, und wurde schnell zur beliebtesten Haarmode. Der „Bubikopf“ war für großstädtische Frauen der Zwischenkriegszeit ein Symbol von Modernität und Emanzipation. Quelle: de.wikipedia.org und www.deutschlandfunkkultur.de
2 Begriff „Schlurf“: Bezeichnung für einen männlichen jugendlichen „Herumtreiber“, der unter anderem durch seine Frisur (lange Haare und überlange Koteletten) auffiel. "Schlurfs" traten in Wien spätestens ab 1939 als Angehörige einer rund um den Jazz gebildeten Subkultur von Arbeiterjugendlichen auf. Die Lebensweise der "Schlurfs" wurde nach der im März 1940 erlassenen "Polizeiverordnung zum Schutze der Jugend" kriminalisiert. Gegen "Schlurfs" wurde das ab Herbst 1940 eingeführte Sanktionsmittel des "Jugendarrest" verhängt, sie wurden zum Reichsarbeitsdienst oder zur Wehrmacht eingezogen, im Extremfall drohte die Einweisung in die Jugendkonzentrationslager Moringen und Uckermark. Quelle: geschichtewiki.wien.gv.at
3 Begriff „Herdprämie“: Vorschlag der Salzburger Landesregierung 2023 (ÖVP-FPÖ Koalition) für die Auszahlung einer Geldleistung an Mütter, die ihre Kinder „familienintern“ betreuen, statt sie in den Kindergarten zu schicken. Quelle: kontrast.at
4 Begriff „Sittenpolizei“ in Iran: Die Sittenpolizei ist eine „Belehrungsstreife“ bzw. „Patrouille für [islamische] Belehrung“, auch bekannt als „Mode-, Moralpolizei“ oder „Moralstreife“. Sie ist eine im Auftrag der islamischen Religionspolizei handelnde Gruppe zur Bekämpfung des „Lasters“. Sie wurde im Jahr 2005 mit der Aufgabe geschaffen, Personen festzunehmen, die sich nicht an geltende Kleidervorschriften halten. Von diesen Festnahmen sind vorwiegend Frauen betroffen. Quelle: wikipedia.org


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Text auf Türkisch (Danke an Kenan Kilic fürs Korrigieren)


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